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Warum das Smartphone dein Meeting sabotiert


Von Hannes Oppermann

Ich muss gestehen, ohne mein Smartphone wäre mein Arbeitsalltag um einiges langweiliger. Zahlreiche bedeutungslose Meetings habe ich nur mithilfe von Instagram, Spiegel Online, der MeteoSwiss und meiner BankingApp überstanden und ich habe den Eindruck, vielen meiner Kolleg:innen geht es auch so. Es ist einfach der perfekte «Retter» vor zu viel Bullshit und Zeitverschwendung. Dachte ich zumindest, bis ich von folgendem sozialen Experiment hörte.


Zwei Fremde werden an einen Tisch gesetzt und gebeten über ein Thema zu sprechen. Bei der einen Versuchsgruppe liegt ein Notizblock, bei der anderen ein Smartphone mit auf dem Tisch. Die Personen aus der Gruppe mit dem Smartphone beurteilten anschliessend ihren Gesprächspartner als weniger empathisch und zuverlässig. Auch die frische Verbindung zum Gegenüber bewerteten sie schlechter als in der Vergleichsgruppe (vgl. Adam Alter: Unwiderstehlich – Vom Aufstieg suchterzeugender Technologien). Killt das Smartphone also Empathie und Vertrauen?

Flucht ins Digitale
Eines scheint klar: Digitale Geräte offerieren uns eine Fluchtmöglichkeit. Ihre pure Anwesenheit erinnert uns an die Welt da draussen mit all ihren bunten Verlockungen. Viele Menschen greifen in jeder unstrukturierten Situation zum Smartphone. Ich habe es bei mir selbst mal einen Tag lang protokolliert: beim Weg zur Toilette, in der Teeküche, an der Haltestelle oder bei überfordernden Tätigkeiten oder wenn ich im Meeting nicht dran bin, greife ich unbewusst zum Smartphone. Das verschafft mit einem angenehmen kleinen Kick an Glückshormonen und damit Beruhigung. Dieses Phänomen nennt man «numbing» (aus dem englischen: betäuben). Schlechte Gefühle sollen vermieden werden. Doch diese vermeintliche Beruhigung verhindert, Situationen aktiv zu begegnen – und eine produktive Lösung herbeizuführen. Zufriedener macht mich der schnelle Griff zum Smartphone leider auch nicht.

Diese digitale Unachtsamkeit hat negativen Einfluss auf die Zusammenarbeit und die Energie im Unternehmen. In einem Meeting ist die Flucht ins Smartphone oder den Laptop vergleichbar damit, als würde man den Raum verlassen. Innerlich sind wir tatsächlich abwesend. Simon Sinek, ein Unternehmensberater und Autor, bringt es in seinem Tedtalk zum Thema Smartphone wunderbar auf den Punkt, indem er sagt: Das Smartphone, das wir im Meeting oder beim gemeinsamen Essen, offen auf dem Tisch ablegen, sendet dem Gegenüber die Botschaft: Unsere Begegnung ist für mich nicht das Wichtigste.

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Ein Todesstoss für jede vertrauensvolle Arbeitsbeziehung
Und diese Botschaft spürt mein Gegenüber unbewusst – und kopiert im schlechtesten Fall dieses Verhalten und entflieht im erstmöglichen Moment ins Digitale. Kann es also sein, dass viele Meetings nicht aus sich heraus schlecht, langweilig und voller Bullshit sind, sondern weil ich in die digitale Welt flüchte? Die simple Antwort: Ja. Denn ich und jede einzelne Person entscheidet über die Qualität von Meetings, indem ich mich beteilige, nachfrage, wo nötig moderiere oder interveniere.

Viele Unternehmen experimentieren mit digitalfreien Zonen und Zeiten und machen die Erfahrung, dass die Qualität der Zusammenarbeit rapide ansteigt, wenn digitale Geräte aus dem Sitzungsraum verbannt werden. Jede Arbeitsbeziehung braucht Präsenz und eine ehrliche Kommunikation, damit sie gute Ergebnisse erbringen kann. Digitale Geräte, so sinnvoll sie an vielen Stellen sind, zeigen hier ihre Schattenseiten. Was also tun? Das Smartphone in den Flugmodus während des Meetings oder am besten gleich im Rucksack lassen, damit die Botschaft klar ist: Unsere Begegnung ist mir wichtig.

Wie seht ihr das? Smartphones im Meeting – Empathiekiller oder Produktivitätsbooster?